»Eine neue Bildungselite braucht das Land!«


Zur Kritik der aktuellen bildungspolitischen Diskussion

Immer häufiger tauchen in der aktuellen Bildungspolitik Begründungs- und Legitimationsmuster auf, die oberflächlich betrachtet der bleiernen Zeit vor der Bildungsreform, den schwarzen 50er-Jahren, zu entstammen scheinen. Da ist von natürlichen Leistungsunterschieden die Rede, werden Begabungspotentiale der Bevölkerung in Prozentanteilen berechnet oder sog. Eliten von den Massen geschieden.

Wie ist das zu erklären? Handelt es sich um den naiven Biologismus des Alltagsbewußtseins, welcher immer mal wieder durchschlägt, indem soziale Ungleichheit als Ausdruck ungleicher Begabungen aufgefaßt wird? Oder steckt dahinter eine zielgerichtete bildungspolitische Strategie?

Folgende Vermutung darf geäußert werden: Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen der Entdeckung des Marktes als bildungspolitischem Steuerungsprinzip, eisernen Spar- und Effizienzdiktaten, denen die Bildungseinrichtungen ausgesetzt sind, und der Suche nach Begründungen für eine schärfere Selektion der Bildungsbeteiligung. Wenn etwa Bildungskosten als Investition umdefiniert werden, die, wie jede andere Investition, von einer Spekulation auf zu erwartende Leistungen und Erträge geprägt ist, erhöht sich der Druck auf eine präzisere Kalkulation dieser Ausgaben. Salopp formuliert: An die Stelle des Rechtes auf Bildung tritt eine Nachweispflicht persönlicher Eignung für den jeweiligen Bildungsweg. Innerhalb des Bildungssystems werden so Elemente der Kontrolle, der Selektion und der hierarchischen Differenzierung ausgebaut. In dem Maße folglich, wie die Schwundformen einer emanzipatorischen Pädagogik durch die Betriebswirtschaftslehre ersetzt werden, sollen politische Willkür und soziale Ausgrenzung den Anschein einer Übereinstimmung mit natürlichen Gegebenheiten erhalten.

Diesen Zusammenhängen soll in der Diskussion anhand einer kritischen Bewertung der aktuellen Hochschulpolitik nachgegangen werden.


ReferentIn: Torsten Bultmann


aus: Bonn


Vita: Torsten Bultmann ist Geschäftsführer des BdWi (Bund demokratischer WissenschaftlerInnen)


Literatur: http://www.bdwi.org/


Zeit und Ort: Montag, 22.1.01, 19.00Uhr Kramladen