Die neue Hack-Ordnung


Mit Open Source kommt die digitale Ordnung der Dinge

Die meisten, die heute am Computer arbeiten, gäben einiges dafür, wenn er nur täte, was sie von ihm wollen. Fast so verhasst wie die eigene Hilflosigkeit ist ihnen der Gedanke, dass dieses unverstandene Stück Technik ihr Leben, ja die Welt in einem Maße zum Besseren verändern könnte, wie es - so erzählt man sich - lange vor ihrer Geburt die Dampfmaschine und die Eisenbahn, die Elektrizität und das Fließband, der Benzinmotor und das Auto taten. Daher natürlich rührt das hörbare Aufatmen der industriellen Menschheit angesichts der gegenwärtigen Krise der Digitalisierung, diese gar nicht so heimliche Freude am letztlich eigenen Schaden.

Doch die Atempause, welche die Durchsetzung digitaler Technologie um 2000 nahm, die Ruhe im Auge des Sturms, geht schon wieder zu Ende. Die nächste Phase, die nach dem Neunziger-Jahre-Amoklauf der Technik ansteht, wird die ihrer sozialen Integration sein. Nachdem über die Jahre hinweg die Computer aufgerüstet wurden, ist nun ein Upgrade der kollektiven Organisations- und individuellen Verhaltensweisen überfällig.

Denn was immer den technologischen Fortschritt jeweils vorantreiben mag, am Ende des Tages diktiert er wiederum dem zivilisatorischen sowohl das Tempo wie die Richtung. Der Gedanke einer solch engen Verbindung zwischen Technik und sozialer Ordnung ist natürlich, wie so vieles, was Karl Marx einst ausheckte, heute nicht sonderlich beliebt. In meinem Vortrag möchte ich - im Sinne von Marx wie Foucault - demonstrieren, dass sich in der Open-Source-Praxis eine digitale Ordnung der Dinge ankündigt.

Dabei werde ich zwei Schwerpunkte setzen. Erstens die soziale Organisation der Arbeit. Sie verlief von der Spezialisierung des Handwerks, die den Materialien und den Werkzeugen zu ihrer Bearbeitung folgte, über die tayloristische Arbeitsteilung in der industriellen Produktion, die sich an zeitlichen Abläufen orientierte, zur virtuellen Kollaboration, deren Basis der individuelle Wissensstand ist. Zweitens der Umgang mit diesem Wissen, die Regelung geistigen Eigentums. Sie unterlag in der Neuzeit ebenfalls einem steten Prozess der Entmaterialisierung und führte von der physischen Kontrolle der Originale und seltenen Einzelstücke über den juristischen Titel am massenhaft Reproduzierten zu Vorschlägen, vom nicht mehr kontrollierbaren Besitz am jeweiligen Bitmaterial abzusehen und stattdessen seinen effektiven Gebrauch zu befördern und zu belohnen.


ReferentIn: Gundolf S. Freyermuth


aus: Snowflake, Arizona, USA


Vita: Gundolf S. Freyermuth ist durch zahlreiche Essays in der c't bekannt


Literatur: Gundolf S. Freyermuth * Kommunikette 2.0. E- Mail, Handy und Co. richtig einsetzen.


Zeit und Ort: Donnerstag, 23.01.03 20.00Uhr 13/222


Hinweis:


Mitveranstalter: AStA Uni Kaiserslautern