LeseStern


Der Mensch als Abfüllobjekt - Wissen als Ware

Zum Lesen und Diskutieren für den LeseStern am 14.06. haben wir einen in fünf Thesen unterteilten Essay über Wissen als Ware ausgewählt. Auszüge:

Wer hätte sich das nicht gewünscht: ganz individuell lernen zu dürfen, nach den eigenen Fähigkeiten und Neigungen, statt nach dem rigiden Plan, dem die Lehrer folgen? Wer möchte nicht zustimmen, wenn es heute heißt, die Schule sei eine bürokratisch erstarrte Institution, die es gründlich zu reformieren gelte? Eine solche Kritik, die vor Jahrzehnten noch ausschließlich von avantgardistischen Pädagogen kam, ist heute von allen Seiten zu vernehmen.

Die Frage ist, ob alle, die diese Kritik äußern, auch dieselbe Absicht verfolgen. Zweifel kommen auf, sobald die Ziele und Vehikel der überall beworbenen Individualisierung ins Blickfeld geraten: die auf Neudeutsch "Employability" genannte schnelle Verwertbarkeit der Ware Qualifikation einerseits und andererseits der vermehrte Einsatz von "Wissensware", also von vergegenständlichtem, durch elektronische Technik transportiertem Wissen. Ganz offenkundig sollen Technisierung und Käuflichkeit des Lernens den bisherigen Haupteinwand gegen seine Individualisierung entkräften: den, dass das alles zu teuer komme. Eine pädagogische Reformdiskussion greift deshalb zu kurz. [...]

These 1: Die Individualisierung von Bildung ist Teil der Privatisierung von Lebensrisiken.

These 2}}: Flexibilisierung führt zu Starrheit, Individualisierung erzeugt den Zwang zur Standardisierung und ihrer Absicherung durch eine neue Industrie.

These 3}}: Wissen ist ein gesellschaftlicher Sachverhalt. Es kann nur als kollektives Gut einer Gemeinschaft kommunizierender Subjekte gedeihen.

These 4}}: Das Verschwinden der traditionellen Institutionen des Wissens, die Dominanz des Marktes und das Aufkommen von neuen Wissensquellen und Vermittlungsformen verschärfen die Frage nach den Garantoren des Wissens.

These 5}}: Es gibt weder eine billige noch eine privatisierbare Lösung für das Garantorendefizit des Wissens: All die Maschinen, Agenturen und Kompetenzen sind Scheinlösungen.


ReferentIn:


Vita: Rainer Fischbach veröffentlichte diesen Text im Dezember 2003 in der Wochenzeitung Freitag


Literatur: Vollständiger Text:


Zeit und Ort: Montag, 14.06.04, 18.00 Uhr Kramladen


Hinweis: (Der Kramladen befindet sich im Keller von Gebäude 46)


Mitveranstalter: AStA TU Kaiserslautern